Was hat Sie dazu bewogen, das Haus der Religionen zu finanzieren?

Die von meinem Mann und mir gegründete Rudolf und Ursula Streit-Stiftung tritt auch für die Förderung von Integration und Sozialkompetenz jugendlicher und erwachsener Migranten, egal welcher Herkunft und welcher Religion, ein. Als ich deshalb zum ersten Mal von dem Projekt „Haus der Religionen – Dialog der Kulturen“ hörte, habe ich ganz spontan die Hilfe unserer Stiftung angeboten. Für mich war ganz klar, dass dieses Projekt eine Pilotwirkung haben müsste! Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Integration sehr wesentlich mit Religion zu tun hat. Wer sich in seiner „Kirche“ wohl fühlt, kann manch andere Unannehmlichkeit besser in Kauf nehmen und kann mit manchen existentiellen Ängsten besser umgehen. Ein Haus der Religionen ist der ideale Ausgangspunkt zur Integration, nicht nur in einem fremden Land, sondern auch zwischen den einzelnen Religionen, die sich dort finden.

Sind Sie denn selber religiös oder besonders gläubig?

Nein. Ich glaube auch nicht an religiöse Riten oder Rituale. Aber ich glaube an eine Macht, die irgendwo über uns wirkt. Und ich bin ein großer Anhänger der Natur, weil ich finde, eigentlich richtet diese unser Leben. Aber die Natur ist vielleicht auch von „jemandem” gemacht worden. Das würde ich alles akzeptieren. Aber ich glaube tatsächlich nicht an einen lieben Gott mit dem weißen Bart. Ich glaube eher an eine Macht, der ich keinen Namen geben kann. Für mich ist das Haus der Religionen deshalb ein Ort, wo sich Menschen zusammenschließen, miteinander kommunizieren, miteinander neugierig sind, sich nicht gegenseitig ausgrenzen und sich im gemeinsamen Menschsein erkennen können.

Sie engagieren sich seit 1999 auch mit einer eigenen Stiftung für das Gemeinwohl und ganz konkret für soziale „Fälle” ...

Das war die Absicht von meinem Mann und mir. Wir wollten das genauso. Eine soziale Stiftung, die sich unkompliziert und schnell um die kleinen und sozialen Fälle kümmert. Er starb leider 2001, als wir gerade erst mit der Stiftung begonnen hatten und noch nicht ganz sicher waren, wie man das bewegt. Das Problem bei sozialen Stiftungen besteht darin, wie kommt man an die sozialen Fälle heran? Wir wollten die Person, das Individuum erreichen und nicht die Organisation. Man kann aber schlecht in die Zeitung schreiben: „Wer Geld braucht, möge sich bitte melden.“ Wir haben daher mit den Sozialdiensten angefangen. Wir haben gesagt: „Hey wir, wir helfen euch bei Fällen, die aus eurem Raster fallen.“ Da gibt's ja eine Menge. Wir haben also zu Anfang beispielsweise unzählige Gebisse finanziert, oder GAs und Laptops. Es waren oft Fälle, wo einfach das Geld fehlte, um eine Lücke von 300 bis 2000 Franken zu füllen. Hier konnten wir völlig unorthodox und schnell entscheiden.

Wir schalten das kaufmännische Denken nicht aus! Das ist das Problem!

Ursula Streit

Sie haben auch bestimmt, dass das Vermögen spätestens 10 Jahre nach Ihrem Tod verteilt sein muss?

Ja, das war meine Idee. Wir hatten gut Geld verdient mit unserem Verlag. Nachdem seine drei Kinder durch Erbverträge abgegolten wurden, haben wir gesagt, das übrige Geld geht in die Stiftung. Wir haben uns aber auch gesagt, lass uns die Sache anders gestalten. Das Vermögen muss spätestens nach 10 Jahren ausgegeben sein. Ein Geschäftsführer kann nach unserem Tod auch gar nicht verstehen, was wir ursprünglich mit der Stiftung bezwecken wollten. Mein Willensvollstrecker wird also nach meinem Tod das Vermögen ausgeben und die Stiftung auflösen. Was sollte ich denn noch damit? Mir ein Kränzchen winden? Nein, das Geld soll wechseln. So haben mein Mann und ich das bestimmt.

Was glauben Sie, wie könnte man das Gemeinwohl stärken?

Es ist, glaube ich, der persönliche Approach, den wir wieder brauchen. Sich also ganz konkret und im Kleinen wieder etwas mehr um andere zu kümmern. Das beginnt damit, dass man den Menschen, denen man begegnet, einfach Mal zuhört. Was machen diese da eigentlich? Wie leben diese? Man trifft sich vielleicht irgendwo auf der Strasse, schwätzt ein bisschen und geht dann weiter. Für mich sind das die Anfänge, auf seine Nächsten wieder mehr Acht zu geben.